Da stand das junge Paar vor der Standesbeamtin. Es war der erste Tag der Einführung eines neuen IT-Systems in der kleinen Ortsverwaltung mitten auf dem Land. Die Standesbeamtin fragte, wann das Paar geheiratet hatte. Als die Antwort kam und die Standesbeamtin das Datum nicht eingeben konnte, ging ein aufgeregtes, lachendes Hin und Her zwischen allen anwesenden Personen los.

Mit Digitalisierung Standards durchsetzen und Effizienz steigern

Bei der Hochzeit war die Braut zu jung, deswegen konnte die Standesbeamtin das Datum nicht eingeben. Der Staat Nepal will mit diesem System nicht nur die Effizienz des Prozesses in der Verwaltung steigern, sondern auch sicherstellen, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden.
Diese Anliegen verfolgen alle Unternehmen und Behörden, die Prozesse digitalisieren. Wenn ein System genutzt werden muss, kann das auch einfach erreicht werden. Wenn die Nutzung nicht zwingend ist, dann rückt plötzlich der Vorteil für den Anwender in den Vordergrund.
Ein schönes Beispiel dafür habe ich ebenfalls in Nepal kennengelernt. Dort wurde 2018 ein Statistik-System zum Monitoring von Impfungen eingeführt. Vor der Einführung machten sich die Verantwortlichen große Gedanken, wie die Nutzung in den Bergregionen ermöglicht werden kann. Dort ist Internet nur schwer verfügbar. Für solche Fälle erlaubten sie weiter die alte Papier-Dokumentation.
Die Überraschung kam kurz nach dem Rollout. Gerade in den entlegenen Bergregionen war die Nutzung beinahe 100 Prozent und viel höher als in den anderen Regionen des Landes. Neugierig versuchten die Verantwortlichen, die Ursache zu verstehen. Der Anwendernutzen war gerade in den Bergregionen enorm hoch: Die Verantwortlichen vor Ort konnten sich mehrtägige Fußwege in die nächsten Städte ersparen. Deswegen organisierten sie sich irgendeinen Internetzugang, z.b. über private und langsame Smartphoneverbindungen.

Digitalisierung ist nicht digitale Transformation

Selbst in einem der ärmsten Länder der Erde Ist Digitalisierung ein wichtiges Thema und geht schnell voran. Die Regierung hat die Bedeutung verstanden und das Ziel Digitalisierung in der Verfassung verankert. Ob Gesundheit, Steuer oder die Unterstützung des Registrierungsprozesses an vielen Ecken sind oder werden aktiv Systeme eingeführt, die Prozesse digitalisieren und effizienter machen.
Aber ist das digitale Transformation? Ich glaube nicht! Ich hatte die Gelegenheit, mich mit dem Bürgermeister von Nepalgunj, einer kleinen Provinzstadt an der indischen Grenze, zu unterhalten. Seine Erwartung an IT ist, dass die Verwaltung effizienter wird. Ich habe ihn gefragt, welches seine drei größten Herausforderungen als Bürgermeister sind. Seine Antwort kam direkt und klar: Erstens Infrastruktur ausbauen, zweitens Korruption bekämpfen und drittens Sanitäranlagen bereitstellen.
Für ihn sind die Chancen von IT ausschließlich effizientere administrative Prozesse. Ein ganz typisches Verhalten, was ich von vielen Unternehmen so kenne. Ich denke digitale Transformation heißt aber mehr. Digitale Transformation geschieht, wenn Mithilfe von IT neue Lösungen für die große Herausforderung entstehen.
Dies können ein einzelner Bürgermeister oder auch ein einzelner Geschäftsführer kaum leisten. Ich denke, dass digitale Transformation erst möglich wird, wenn man mit verschiedenen Kompetenzen und Erfahrungen neu auf die Herausforderungen blickt. In einem solchen Austausch können neue Ideen entstehen.

Herausforderung digitale Transformation

Einen Staat, wie z.B. Nepal, oder ein Unternehmen so aufzustellen, dass Innovationen möglich werden und alte Probleme und alte Vorgehensweisen durch neue Ansätze besser und schneller gelöst werden, das ist die eigentliche Herausforderung .
Digitalisierung von Prozessen ist manchmal ein sehr komplexes Unterfangen, dass leider oft auch schief läuft. Die Steigerung der Effizienz und der Qualität der Prozesse ist zwar wichtig im Wettbewerb, reicht aber oftmals nicht aus. Ich glaube, man muss auch in der Lage sein, seine großen Herausforderungen durch (digitale) Transformation zu lösen. Dann hat man einen deutlichen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern.
Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass digitale Transformation am besten gelingt, wenn man offen und neugierig seine eigenen Experten mit anderen Ideen und Ansätzen experimentieren lässt. Wer glaubt, alles selber vorgeben zu müssen, der wird bestimmt effizienter, aber ich denke, eine digitale Transformation wird ihm nicht gelingen.
Bei dem jungen Paar hat die Standesbeamtin völlig selbstverständlich das angegebene Hochzeitsdatum so geändert, dass das System es akzeptiert hat. Die Regierung in Kathmandu ist weit weg von Nepalgunj.