Jetzt war ich dran. Ich sprintete los, schlug einen Haken und schaffte so einen kleinen Vorsprung vor meinem Gegenspieler. Tom warf die Scheibe. So hart. Sie flog wie ein Strich auf mich zu. Ich musste aus vollem Sprint weit nach oben springen und mich strecken. Ich fing die Scheibe mit einem lauten Knall und hielt sie so fest, wie ich konnte…

Ultimate Frisbee, ein dynamischer Wettkampfsport

Denken Sie auch bei Frisbeescheiben an Jugendliche am Strand? Dann sollten Sie jetzt umdenken. Ultimate Frisbee ist ein dynamischer Wettkampfsport. Zugegeben eine Nischensportart. Zu meiner aktiven Zeit Ende der 90er spielten in Deutschland etwa 2500 Menschen aktiv Ultimate Frisbee.

Das Ziel ist es, die Scheibe in der Endzone des Gegners zu fangen. Dann gibt es einen Punkt. Wer die Scheibe gefangen hat, darf damit nicht laufen. Er muss die Scheibe innerhalb von 10 Sekunden an einen Mitspieler werfen. In dieser Zeit muss ein Fuß fest am Boden stehen, den anderen darf man bewegen. Das ist wie ein Sternschritt beim Basketball. Ebenfalls vom Basketball übernommen ist, dass Körperkontakt verboten ist.

Durch diese Regeln ist die übliche Taktik eine enge Manndeckung. Es wird viel gesprintet, Räume werden geschaffen und Haken geschlagen. Das Angriffsrecht hängt mit dem Besitz der Scheibe zusammen und wechselt, wenn die Scheibe auf den Boden fällt. Deswegen ist Timing entscheidend. Weit geworfen fliegen die Scheiben problemlos 60 bis 80 Meter. Scharfe schnelle Würfe gegen die Laufrichtung des Fängers durchaus über 20 bis 30 Meter.

Trotz Wettkampf: Eigenverantwortung statt Schiedsrichter

Für mich ist eine der ganz wichtigen Regeln, dass es keine Schiedsrichter gibt. Wenn ein Spieler ein Foul oder eine Regelverletzung wahrnimmt, ruft er „Foul“. In dem Moment müssen alle Spieler auf dem Platz so schnell wie möglich stehen bleiben. Akzeptiert der Gegenspieler des Gefoulten das Foul, dann bekommt der gefoulte Spieler die Scheibe. Wird die Regelverletzung auch nach kurzer Diskussion nicht akzeptiert, wird der Spielzug einfach wiederholt.

Das funktioniert tatsächlich auch bei wichtigen Spielen wie bei Weltmeisterschaften. Natürlich gibt es auch Spieler, die versuchen, das auszunutzen. Aber ich habe nie erlebt, dass deswegen ein Spiel gewonnen wurde oder gar eine aggressive Stimmung aufkam. Diese Erlebnisse stärkten meine Meinung, dass Eigenverantwortung immer möglich ist und auch in Unternehmen gestärkt werden sollte.

Im Ultimate ist das sogar ein eigenes Prinzip. Es wird „Spirit oft the Game“ genannt. In den Regeln steht, dass der Wettkampf gewünscht ist. Bei allem Wettkampf sollen aber der Respekt vor den Gegnern, der Wille, die Regeln einzuhalten, und nicht zuletzt, die Freude am Spiel im Vordergrund stehen. Respekt. Eine wunderbare Leitlinie auch für alle anderen Lebenssituationen.

Leichtigkeit durch Spaß, Respekt und die Schwerelosigkeit der Scheibe

Und dann gibt es diese perfekten Momente, bei denen Dynamik, Timing und die schwerelos dahingleitenden Scheiben zusammenkommen. So ein Moment könnte so aussehen: Ein Abwehrspieler schafft es, die Scheibe abzufangen. Einer seiner Mitspieler schaltet sofort um und läuft in Richtung der Endzone. Der Abwehrspieler wirft die Frisbeescheibe in einem langen Wurf. Zuerst fliegt sie schnell, dann wird sie in der Endzone langsam und fliegt nur noch so hoch, dass der Mitspieler sie leicht fangen kann.

Ich selber war ein Spieler der zweiten Mainzer Mannschaft. 1994 und 1996 waren die Mainzer Feldrenner bei der Deutschen Meisterschaft so erfolgreich, dass sie an den Clubweltmeisterschaften teilnahmen. Zu diesen großen Turnieren durfte ich auch mitfahren.

Mein kleines Erlebnis aus der Eingangsszene war bei der Club-Weltmeisterschaft 1997 in Vancouver. Wir spielten gegen den späteren Dritten des Turniers. Mein Fang wurde auch vom Gegner beklatscht. Trotzdem verloren wir und wurden am Ende 30. von 50. Es war ein schönes Erlebnis für mich, dass mir in meiner Erinnerung bleibt.