Letzens traf ich eine gute Freundin bei einer Party wieder. Sie erzählte, dass sie einen gutartigen Tumor im Gehirn habe. Er sollte entfernt werden, weil er droht einen Hörnerv zu zerstören. Sie ließ sich von dem besten Spezialisten dafür in Heidelberg operieren. Leider traf der Chirurg schon beim Durchdringen der Hirnhaut eine große Arterie. Sie ist fast verblutet. Die Operation wurde abgebrochen.

Das Leben ist begrenzt, darum zählt jeder Augenblick

Das Erlebnis meiner Freundin macht deutlich, wie fragil unser Leben ist. Jeden Moment kann etwas Unerwartetes passieren, dass unser Leben in eine neue Richtung zwingt. Oder gar abrupt beendet. Und selbst wenn nichts Dramatisches passiert, ist völlig klar, dass unsere Zeit auf der Erde begrenzt ist.

Mir gefällt eine Meditationspraxis sehr gut. In dieser kleinen Übung soll sich der Meditierende vor Augen führen, wie er selber als Leiche an einer tibetischen Beerdigungszeremonie teilnimmt. Im nächsten Schritt stellt man sich den fortschreitenden Zerfall des Körpers vor. Bis nur noch Staub vorhanden ist. Ein sehr eindrucksvolles Erlebnis.

Es geht nicht darum, die Angst vor dem Tod zu schüren. Das Gegenteil ist das Ziel: Es geht darum, den Wert des Lebens zu verinnerlichen und Lust darauf zu machen, jeden Moment bewusst zu leben. Das ist übrigens die philosophische Wurzel der Achtsamkeitspraxis. Achtsamkeit mit sich selber hilft auf jeden Fall dabei, sich weniger zu ärgern.

Mit Arbeit die Sinn stiftet gibt es keine „innere Kündigung“

Ich bin nun Mitte 50. Meine beiden Kinder sind erwachsen. Und mir ist bewusst, dass meine Arbeitszeit begrenzt ist. Ich habe in über 20 Jahren als Führungskraft und über 30 Jahren Beschäftigung mit IT viel gelernt. Ich habe als Führungskraft Fehler gemacht und Erfolge gefeiert. Mein Werdegang hat mich nach meiner Promotion von Lufthansa Systems über Lufthansa zur GIZ geführt, wo ich seit 12 Jahren die IT-Abteilung leite.

Viele Themen, an denen ich arbeiten konnte, habe ich selber gestalten können. Aber in großen Unternehmen gehören zur Arbeit eines Managers auch viele Themen und Meetings, auf die man keinen Einfluss hat. Einiges davon halte ich für sinnlos vergeudete Zeit. Ich verstehe vieles als normal in einer typisch hierarchischen Organisation.

Regelmäßig gibt es Studien, die die „innere Kündigung“ von Mitarbeitern untersuchen. Bis zu 70% der Mitarbeiter machen nur Dienst nach Vorschrift! Ich finde, dass das ein erschreckender Wert ist. Dienst nach Vorschrift klingt für mich nach „wenig Spaß bei der Arbeit“, Frustration, vielleicht sogar „Burn out-Risiko“.

Mir macht meine Arbeit Spaß. Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, die neugierig sind und sich weiterentwickeln wollen. Vielleicht auch mehr Sinn in der Arbeit haben möchten. Ich habe in meiner langen Führungskarriere viel Erfahrung gesammelt. Engagierte und motivierte Mitarbeiter sind mir sehr wichtig. Innere Kündigung ist für mich keine Option.

Mein neuer Fokus liegt auf Beratung

Mit Mitte 50 habe ich deshalb beschlossen, nicht mehr Führungskraft in der GIZ zu sein. Mir ist es wichtiger, in meinen restlichen Arbeitsjahren meine Erfahrung anderen Führungskräften und Organisationen zur Verfügung zu stellen. Dies werde ich ab Anfang 2019 hauptsächlich als freiberuflicher Berater machen.

Damit ich auch an der spannenden digitalen Transformation der GIZ mitarbeiten kann, werde ich weiter als Digital Change Berater in der GIZ bleiben. Dort werde ich meine Arbeitszeit aber auf 30% reduzieren.

Ich denke, dass ich durch diese beiden Maßnahmen noch lange viel Spaß an meiner Arbeit haben werde und meine Stärken und Erfahrungen gut einsetzen kann. Vielleicht kann ich sogar dem einen oder anderen Menschen einen Impuls geben, so dass er auch Abstand nimmt von innerer Kündigung.

Und zum Schluss dieses kleinen Artikels möchte ich meiner Freundin auch von hier alles Liebe und Gute für ihre anstehende zweite Operation wünschen.